Gestaltung digitaler Lehr-Lern-Settings
Präsenzlehre lässt sich nicht 1:1 auf die Digitale Lehre übertragen, die Lehr-Lern-Situation ist online eine andere und bedarf einer stärkeren Planung. Erhalten Sie auf dieser Seite erste grundlegende Hinweise zur Konzeption und zur didaktischen Gestaltung digitaler Lehr-Lern-Settings.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Digitale Lehre kann vielseitig umgesetzt werden, als digitale Unterstützung in traditionellen Präsenzsitzungen, aber auch als reine Online-Lehre, oder in Blended Learning und hybriden Szenarien. Grundlegende Veranstaltungsformate wie Vorlesungen, Seminare und Übungen können dabei prinzipiell auch im digitalen Raum realisiert werden, sie müssen nur an die Gegebenheiten der digitalen Lehre angepasst werden. Dinge, die in der Präsenz selbstverständlich sind – wie z.B. spontane und direkte Kommunikation und reaktive Interaktion mit den Studierenden – gehen digital weitestgehend verloren. Deswegen ist es für eine gelungene digitale Veranstaltung u.a. wichtig, kommunikative und interaktive Elemente bewusst zu gestalten, um eine runde und aktivierende Veranstaltung online durchführen zu können (Adam, Holle, & Köpenick, 2021). Die Konzeption des digitalen Lehr-Lern-Settings spielt dabei eine zentrale Rolle.
Konzeption digitaler Lehr-Lern-Settings
Grundsätzlich bedarf es bei der Vorbereitung digitaler Lehr-Lern-Settings einer stärkeren Planung und eines stringenteren Ablaufs als bei reinen Präsenzveranstaltungen. Die folgenden Modelle sind sowohl für die Planung von Präsenz- als auch digitalen Veranstaltungen geeignet, an dieser Stelle aber auf die Planung digitaler Lehre angepasst.
Lehr-Lernziele, Methoden und Prüfungsformat
Einen guten Grundstein kann das Constructive Alignment legen, das die Ziele einer Lehr-Lern-Einheit (Was sollen die Studierenden lernen?), geeignete Lehr-Lern-Methoden (Wie erlangen die Studierenden diese/s Fähigkeiten/Wissen?) und ein passendes Prüfungsformat (Wie lässt sich ihr Lernfortschritt effektiv überprüfen?) aufeinander abstimmt. Weiterführende Informationen zum Constructive Alignment und seinen Elementen werden auf der Webseite zur Kompetenzorientierung zusammengefasst.
„Lehrziele und –inhalte beeinflussen die materiale, die prozessuale und die soziale Seite des Lehrens. Besonders beeinflussen die Lehrziele das Assessment, das wiederum maßgeblich auf das Lernen zurückwirkt. Lehrziele machen daher bestimmte Lernformen wahrscheinlicher und andere weniger wahrscheinlich.“ (Reinemann, 2015, S. 26)
In der Vorbereitung eines digitalen Lehr-Lern-Settings lohnt es sich entsprechend, folgende Fragen zu klären:
Eine wichtige Erkenntnis aus den bisher gesammelten Erfahrungen der Digitalen Lehre ist, dass Lernen dort in der Regel am besten funktioniert, wo eine gute Mischung aus gemeinsamen Austausch- und Reflexionspunkten – in Form von Online- oder Hybrid-Sitzungen – und Zeit zum Selbstlernen ohne Videoverbindung bestand. Ein ausgewogenes Lehr-Lern-Arrangement sollte deshalb zielgerichtet synchrone Online-Sitzungen und asynchrone, eigenständige Lernphasen, allein oder in der Gruppe, miteinander verbinden.
Vermittlung, Aktivierung & Kommunikation
Bei der Strukturierung des digitalen Lehr-Lern-Settings ist es ratsam gezielt Vermittlungs- und Aktvierungsphasen sowie Kommunikationsanlässe einzuplanen. Bei der Vermittlung handelt es sich primär um die darbietende Komponente der Lehre. Inhalte werden erklärt, dazu können sie in irgendeiner Form materialisiert (z.B. Präsentationen, Simulationen, etc.) oder bestehende Materialisierungen (Bilder, Grafiken, Texte, etc.) ausgewählt und zusammengestellt werden (z.B. in Form von digitalen Selbstlernmaterialien). (Reinemann, 2015) Für das Lernen ist es von Bedeutung, dass neue Lerninhalte an das Vorwissen der Lernenden angebunden werden. Dafür ist die Strukturierung von Inhalten wichtig, aber auch ein systematischer Wechsel von Vermittlungs- und Transferphasen bei der Gestaltung digitaler Lehr-Lern-Settings. Das Sandwich-Prinzip von Diethelm Wahl kann hierfür einen guten Orientierungsrahmen bieten.
Das Sandwich-Prinzip beschreibt in einer Rahmung zwischen Einstiegs- & Aktivierungs- sowie Sicherung & Abschluss-Phase einen systematischen Wechsel von Vermittlungs- und Transferphasen. Das Ziel ist es, die aktive Auseinandersetzung mit den vermittelten Inhalten der Veranstaltung bei den Studierenden zu ermöglichen und Wissenserwerb durch Anwendung und Reflexion bzw. Feedback und Rückmeldung zu ermöglichen. Erst in der Reflexion liegt häufig die Verankerung von Gelerntem bzw. die Entwicklung von reiner Information zu Wissen. Spätestens dann, wenn die Aktivierung der Beginn einer sozialen Interaktion zwischen Lehrenden und Lernenden oder Lernender untereinander ist, werden begleitende Kommunikationsmaßnahmen gestaltet. Das Modell eignet sich für digitale Lehr-Lern-Settings, um einen bewussten Wechsel der Lernaktivität zu erreichen und kommunikative und interaktive Elemente geplant einzubauen. Dabei ist zu beachten, dass die Phase der Vermittlung sowohl synchron als auch mittels digital zur Verfügung gestellter Lehr-Lern-Materialien in einer asynchronen Selbstlernphase erfolgen kann. Die Anzahl der aufeinanderfolgenden „Lagen“ des Sandwiches hängt vom zeitlichen Rahmen ab, grundsätzlich lässt sich das Modell auf eine einzelne (online) Veranstaltung, aber auch auf den Wechsel von (online) Präsenz- und Selbstlernphasen über das gesamte Semester beziehen. Auch kann statt mit einer Vermittlungsphase mit einer Phase der subjektiven Auseinandersetzung begonnen werden.
Ablaufplan
Ein Hilfsinstrument zur Gestaltung von (digitalen) Lehr-Lern-Settings ist der Ablaufplan. Mit einem Ablaufplan lassen sich die einzelnen Online-Sitzungen zielführend strukturieren, reflektieren und dokumentieren sowie sinnvolle Kombinationen von synchronen und asynchronen Lernphasen planen. Zudem verschafft er einen guten Überblick darüber, wie viel Zeit für einzelne Inhaltsbereiche bleibt (Arbeitsschritt/Zeit), welche Lernziele angestrebt werden (Ziel), was in der Phase vermittelt wird (Inhalt), auf welche Weise dies geschieht (Methode und Sozialform), wie der Lernfortschritt der Studierenden geprüft werden kann (Assessment/Feedback) und welche digitalisierten Materialien sowie ggf. digitalen Tools hierfür vonnöten sind.
Didaktische Gestaltung
Im Folgenden werden die einzelnen Veranstaltungsphasen näher beschrieben und Hinweise für die Durchführung digitaler Lehr-Lern-Settings gegeben.
Die Phase des Ankommens ist in der Präsenz selbstverständlich. Die Studierenden betreten nach und nach den Veranstaltungsraum, schauen sich um, suchen sich einen Platz, führen eventuell Gespräche mit Kommiliton*innen und warten auf den Beginn der Sitzung. Das Ankommen im virtuellen Lehr-Lern-Raum kann analog dazu verstanden werden. Wird der Videokonferenzraum ein paar Minuten vor Veranstaltungsbeginn geöffnet, haben die Studierenden Zeit sich einzurichten, ihre Technik zu prüfen oder auch informelle Fragen zu klären, bevor die Sitzung fokussiert starten kann.
Die Einstiegsphase hat eine wichtige Bedeutung und ist ausschlaggebend für den Verlauf der restlichen Veranstaltung. Kommt die Gruppe das erste Mal in der Konstellation zusammen, ist es wichtig, zunächst Transparenz über die Gruppenkonstellation zu schaffen, denn anders als in der Präsenz sind die Kommiliton*innen im virtuellen Seminarraum nicht zwangsläufig sichtbar. Wenn es die Gruppengröße zulässt, kann mit einer kurzen Kennenlernrunde gestartet werden, der Einsatz von Icebreaker-Methoden ist hilfreich um Hemmschwellen abzubauen und Aktivität zu fördern. Je aktiver der Einstieg gelingt, desto höher ist die Motivation zur aktiven Mitarbeit in der Online-Veranstaltung.
In konventionellen Lehr-Lern-Settings erfolgt die Inhaltsvermittlung häufig über darbietende Lehrformen wie Lehrvorträge, Präsentationen oder Referate. In digitalen Lehr-Lern-Settings kann dies analog in Form von synchroner Online-Lehre über ein Videokonferenzsystem realisiert werden. Die Inputphase kann aber auch sehr gut durch digital aufbereitete und zur Verfügung gestellte Lehr-Lern-Materialien in asynchronen Selbstlernphasen umgesetzt werden. Studierende eignen sich die Inhalte selbstständig an und können ggf. ihren Lernfortschritt durch das Einbinden von Selbsttests oder Feedbackstrukturen überprüfen. Ein Vorteil dabei ist, dass auf diese Weise mehr Zeit in den synchronen Online-Sitzungen für vertiefendes und anwendungsnahes Lernen bleibt – für Austausch, Interaktion, Reflexion und gemeinsames Arbeiten.
Am Ende von gemeinsamen Lehr-Lern-Einheiten sollte sowohl eine inhaltliche Sicherung als auch ein organisatorischer Abschluss stattfinden. In dieser Phase geht es um Zusammenfassung und die Klärung offener Fragen sowie um persönliche Reflexion und Feedback. Wichtig ist insbesondere in digitalen Lehr-Lern-Settings eine klare Kommunikation des organisatorischen Rahmens. Es sollten nächste Schritte geklärt werden, z.B. zur selbstorganisierten Bearbeitung von Lehr-Lern-Materialien, Aufgaben und Abgabefristen. Das Ende einer Online-Sitzung sollte ebenso wie der Anfang klar und eindeutig sein.
Methoden & Tools
Um die einzelnen Veranstaltungsphasen angemessen zu gestalten, gibt es eine Vielzahl an nutzbaren Methoden, die auf die Gegebenheiten in digitalen Lehr-Lern-Räumen reagieren. U.a. haben Tobias Seidl und Lara Kolbert eine Sammlung an Vertrauenskarten & Take-A-Break-Karten für die digitale Interaktion insbesondere für die Einstiegsphase zum gegenseitigen Kennenlernen aber auch für kurze Pausen zwischendurch veröffentlicht. Ebenso bietet das eBook „Von Analog zu Digital“ der gleichnamigen Lerngruppe des MOOCamps 2020 einen praktischen Einblick in zahlreiche Methoden entlang der einzelnen Veranstaltungsphasen inklusive Kurzbeschreibungen (mit Angaben zum Zeitbedarf und zur Gruppengröße) sowie Informationen zur digitalen Umsetzung (mit Angaben zu Hilfsmitteln und Tools).
Informationen zu Digitalen Tools, werden hier bereitgestellt.
Quellen und Literaturangaben
Adam, B., Holle, J, Köpenick, F. (2021, 2. April). Das Methodenbuch Für Digitalen Unterricht. Bamberg.
Biggs, John (1996): Aligning teaching for constructing learning. The Higher Education Academy. Online verfügbar unter https://www.heacademy.ac.uk/system/files/resources/id477_aligning_teaching_for_constructing_learning.pdf, zuletzt geprüft am 31.07.2019.
Kerres, Michael (2005): Gestaltungsorientierte Mediendidaktik und ihr Verhältnis zur Allgemeinen Didaktik. In: Dieckmann, B. Stadtfeld, P. Allgemeine Didaktik im Wandel. Bad Heilbrunn.
Lerngruppe „Von Analog zu Digital“ MOOCamp 2020: Von Analog zu Digital – 7X5 interaktive Methoden, die auch online begeistern. Online verfügbar unter: https://read.bookcreator.com/VBTBmiXkvoUE98PpAUaM4DNGZvl2/77ZfcLDwTrumhFpRkmr9EA, zuletzt geprüft am 10.09.2021
Seidl, T., Kolbert, L.: Digitale Interaktion, Vertrauenskarten & Take-A-Break-Karten für Online-Meetings & -Workshops. Online verfügbar unter: https://hochschulforumdigitalisierung.de/sites/default/files/dateien/Methodenset_Digitale_Vertrauens_Take-A-Break_Karten_2020.pdf, zuletzt geprüft am 10.09.2021
Reinemann, G. (2015): Studientext Didaktisches Design. Hamburg.
https://gabi-reinmann.de/wp-content/uploads/2013/05/Studientext_DD_Sept2015.pdf, zuletzt geprüft am 13.09.2021
Wahl, Diethelm (2013): Lernumgebungen erfolgreich gestalten: Vom trägen Wissen zum kompetenten Handeln. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Bild: Projekthaus/TU Braunschweig
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